Donnerstag, 16. Mai 2013

Fernbusse in Deutschland - Ein Selbsttest


Seit Januar 2013 ist der Fernverkehr in Deutschland liberalisiert, das heißt, dass die Bahn ihr Monopol verloren hat und ab sofort Fernbusse in ganz Deutschland eingesetzt werden dürfen. Seitdem drängen immer mehr Fernbusanbieter auf den Markt. Was viele nicht wissen: Die größte Deutsche Busgesellschaft ist BerlinLinienBus, die der Bahn gehört und gegründet wurde, um Berlin zur Zeit der Teilung besser an den öffentlichen Nahverkehr anzuschließen.

Es wurde bereits viel über diese neuen Fernbusse geschrieben. Da ich Fernbusreisen aus Asien und Südamerika sehr gut kenne, war ich gespannt, wie das ganze in Deutschland umgesetzt wurde. Da ich über das Himmelfahrtswochenende aus privaten Gründen nach Berlin wollte, entschied ich mich den Bus zu nehmen.



Das Ticket


Es gibt zwar inzwischen vier bis fünf größere Fernbusunternehmen, aber das Streckennetz ist derzeit noch recht übersichtlich. Allerdings kommen nahezu täglich neue Strecken hinzu. Nach Berlin zu kommen ist vergleichsweise einfach, wenn man aus einer anderen größeren Stadt startet. Ich selbst wohne in Weinheim, zwischen Mannheim und Heidelberg. Das Unternehmen MeinFernbus bietet eine Direktfahrt von Heidelberg über Darmstadt und Frankfurt nach Berlin an. Bei allen anderen Unternehmen hätte ich irgendwie umsteigen müssen. Ich entschied mich in Darmstadt abzufahren. Das ist von mir aus mit der Bahn bequem in 25 Minuten zu erreichen und der Bus hält direkt am Bahnhof.


Das Bestellen des Tickets im Internet ist kinderleicht. Man gibt Start und Ziel ein, nennt das gewünschte Datum und schon wird ein Preis und eine Verbindung ausgespuckt. Alles sehr übersichtlich und leicht verständlich. Bezahlt werden kann per Kreditkarte oder PayPal. Wer möchte kann beim Fahrkartenkauf auch eine kleine Spende an MyClimate absetzen. Ob das wirklich der Umwelt hilft sei mal dahin gestellt, aber es beruhigt das Gewissen.

Das Ticket bekommt man dann per Email als PDF zugeschickt. Auf dem Ticket befindet sich ein QR-Code für einen „Express Checkin“. Allerdings hat man mich beim Einstieg in den Bus lediglich nach meinem Namen gefragt und mich auf einer Liste abgehakt. Das ist auf jeden Fall angenehm unbürokratisch, aber eine Expressmöglichkeit gab es da nicht. Vielleicht kommt das ja auch noch.



Bequemlichkeit im Bus


Um 9 Uhr morgens sollte die knapp achtstündige Fahrt beginnen. Etwa zwanzig vor 9 war ich in Darmstadt an der Bushaltestelle. Der Bus hatte etwa 30 Minuten Verspätung und fuhr somit erst gegen 9.30 Uhr ab.

Von innen war der Bus sehr bequem und gut ausgestattet. Ähnlich wie bei Flugzeugen gibt es einen kleinen Tisch, den man herunter klappen kann. An Board gibt es auch kleine Snacks und Getränke, die man beim Fahrer käuflich erwerben kann. Die Preise sind auch völlig in Ordnung. Interessant finde ich das Konzept der „Vertrauenskasse“. Da wirft man - ohne dass kontrolliert wird – den entsprechenden Betrag hinein. Sehr angenehm.

Das erste Problem trat auf, als ich meinen Laptop aufklappen wollte. Es handelt sich um einen kleinen 10-Zoll Eee-PC von Asus – einem PC also, der etwas kleiner ist als ein DIN A4-Blatt. Leider passt selbst dieser Rechner nicht richtig auf den kleinen Tisch und es ist schwierig das Display soweit zurück zu klappen, dass es vernünftig betrachtbar ist. Wer seinen Laptop also während der Fahrt nutzen möchte, sollte ihn auf die Knie legen, was auf Dauer aber auch anstrengend sein kann. Steckdosen an den Plätzen gibt es leider nicht. Lediglich der Platz an der hinteren Bustür hat eine Mehrfachsteckdose für alle Passagiere. An diesem Platz sind auch die Vordertische ein wenig anders und daher gut geeignet für Laptops. Wer also den Laptop nutzen möchte, sollte direkt an der hinteren Bustür sitzen.


Das WLAN funktionierte bei mir auf der Strecke - bis auf wenige Ausnahmen - einwandfrei. Das war schon eine tolle Sache. Wenn man bedenkt, dass die Bahn WLAN nur für einen Haufen Geld und nur auf wenigen Strecken anbietet, ist das kostenlose WLAN im Bus ein riesiger Fortschritt! Allerdings gibt es viele Berichte, dass das WLAN nicht zuverlässig funktionieren würde. Ausnahmsweise kann man der Busgesellschaft hier keinen Vorwurf machen. Das liegt nämlich an der ziemlich miesen Netzabdeckung für mobiles Internet in Deutschland. Die Busse beziehen das Internet über das UMTS/LTE-Netz und wer schon einmal auf der Autobahn irgendwo zwischen zwei Orten versucht hat eine Internetseite mit seinem Smartphone aufzurufen, weiß was ich meine. Je dichter eine Region besiedelt ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit auf gutes Internet im Bus. Das ist übrigens auch in den USA so. Als ich im November 2012 von New York nach Chicago mit einem der berühmten Greyhoundbusse gefahren bin, hatte ich auch Internet. Allerdings nur in urbanen Gebieten. Auf den Landstraßen im mittleren Westen ist die Netzabdeckung auch nicht gerade berauschend.



Sitzplätze


Etwas negativ aufgestoßen ist mir die fehlende Sitzplatzreservierung. An sich kein Problem, man setzt sich eben irgendwo hin. Allerdings kann das zu merkwürdigen Ergebnissen führen. In Alsfeld gibt es eine etwa 45minütige Pause für die Busfahrer auf der Raststätte Pfefferhöhe. Hier mussten alle den Bus verlassen. Allerdings sind hier auch Leute aus- und zugestiegen. Die zugestiegenen Gäste haben sich einfach irgendwo hingesetzt und wollten auch zusammen sitzen bleiben. Das führte dazu, dass andere Leute sich plötzlich einen neuen Platz suchen mussten - unter anderem ich. Grundsätzlich kein Problem für mich, aber das ist so eine Situation, die potentiell für Probleme sorgt. Mit einer festen Sitzplatzvergabe wäre das Problem elegant umschifft worden. Vielleicht ändert sich das ja noch.
Der Bus von innen



Bad Hersfeld


Bad Hersfeld ist der letzte Stopp vor Berlin und scheint für MeinFernbus das zu sein, was Wolfsburg für die Bahn ist: Auf der Hinfahrt hat der Busfahrer die Ausfahrt verpasst und musste einen relativ langen Weg zurück fahren. Das hat dann noch einmal etwa 45 Minuten zusätzlich gedauert. Danach fuhr der Bus ohne große Verzögerungen nach Berlin durch und kam mit etwa einer Stunde Verspätung am Zentralen Omnibusbahnhof an.



Fazit


Die Fernbusse sind eine tolle Alternative zur Bahn – allerdings nicht für jedermann. Die Zielgruppe sind vor allem junge Reisende. Gerade Backpacker oder Leute mit Fernbeziehungen werden die Busse aufgrund ihres unschlagbaren Preises zu schätzen wissen. Für Geschäftsleute oder Menschen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Ort sein müssen, sind die Busse derzeit nicht zu empfehlen. Einerseits sind sie zu langsam, andererseits sind ihre Ankunftszeiten zu unberechenbar. Letzteres liegt vor allem am sehr dichten Verkehr in Deutschland. So ein Bus steht eben auch im Stau.Dazu kommt die Taktrate. Mein Fernbus fährt täglich zweimal von Frankfurt nach Berlin - die Bahn stündlich.


Auch was den Komfort anbelangt ist die Bahn den Bussen (noch) überlegen. Die sitze sind etwas breiter und bequemer, man kann herum laufen und schneller ist sie auch – aber auch deutlich teurer. Mich hat die ganze Fahrt, hin und zurück, inklusive der Bahnfahrten von und nach Darmstadt (mit Bahncard 25) 67,20 Euro gekostet. Der Normalpreis der Bahn mit Bahncard 25 beträgt 190,50 Euro. Vom Preis/Leistungs-Verhältnis schlagen die Busse die Bahn meines Erachtens um Längen. Interessanterweise schlägt der Bus sogar die Mitfahrzentralen - zumindest auf langen Strecken. Eine Fahrt Mannheim - Berlin kostet da etwa 25 - 40 Euro.



Es wird interessant sein zu sehen, wie die Fernbusse den Reisemarkt aufmischen. Hier ist noch viel Potenzial vorhanden. Denkbar sind zum Beispiel Luxus- oder Nachtbusse. Die Bahn muss sich nun auf jeden Fall gegen eine starke Konkurrenz behaupten. Die Gewinner sind am Schluss auf jeden Fall die Reisenden.



Wer übrigens Fragen an MeinFernbus hat, kann sehr leicht per Facebook oder Twitter Fragen stellen. Vor allem per Twitter bekommt man sehr nette Antworten.





Weitere Busunternehmen sind übrigens Flixbus, City2City oder DeinBus.

Gute Fahrt!

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